Besuch im Wirtschaftsministerium

19. Februar 2017

Der LK Sozialwissenschaften der Stufe Q2 auf der Suche nach Antworten im Wirtschaftsministerium Düsseldorf

Wir, der Leistungskurs Sozialwissenschaften des Leibniz-Gymnasiums in Remscheid, besuchten am 20.12.2016 das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf. Da das aktuelle Thema unseres LKs momentan Globalisierung ist und wir 2017 über den Wirtschaftsstandort Deutschland diskutieren werden, besuchten wir Herrn Dr. Peter Wasmund, Leiter des Referats für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen, der uns nicht nur etwas über die wirtschaftliche Situation in Nordrhein-Westfalen erzählen konnte, sondern auch über Deutschland im internationalen Vergleich.

Nachdem alle Teilnehmer der Exkursion eingetroffen waren und sich jeder eine Tasse Tee oder Kaffee eingeschenkt hatte, begann der Vortrag mit der Darstellung, welchen Platz unser Bundesland im internationalen Vergleich einnimmt. Zuerst wurde „klein“ angefangen – der deutschland- und europaweite Vergleich. In diesem Vergleich trat stark hervor, welche Rolle Deutschland in Europa einnimmt. Zwar hat London in Europa die höchste Wirtschaftskraft pro Einwohner, da dort auch der Hauptsitz vieler großer Banken ist, insgesamt ist Deutschland aber eins der wirtschaftsstärksten Länder in Europa. Innerhalb Deutschlands hat der Süden die höchste Wirtschaftskraft pro Einwohner, in NRW sind Düsseldorf, Köln und Detmold die stärksten Bezirke. Auch im internationalen Bereich ist Deutschland weit vorne, 2014 befand sich Deutschland auf Platz 4 von 22 Ländern in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), hinter den USA, China und Japan. Im internationalen Vergleich wäre NRW (als eigenständiger Staat gesehen) auf Platz 18.

Der zweite Teil des Vortrags befasste sich mit der Bevölkerungsentwicklung in NRW. Beispielsweise lebten hier 1970 17 Millionen Menschen. Nach einem Tief im Jahr 1985 stieg die Einwohnerzahl von 1989-1995, da nach dem Mauerfall viele Einwanderer aus Osteuropa nach NRW kamen. 2015 lebten 17,5 Millionen Menschen in unserem Bundesland, weitere Prognosen zeigen bis zum Jahr 2050 eine leichte Senkung, da auch der demographische Wandel (immer mehr ältere Menschen, dafür weniger jüngere) in Deutschland momentan eine sehr große Rolle spielt. Im Vergleich wurden die Senkungen früher deutlich höher prognostiziert, denn damals war die aktuelle starke Einwanderung noch nicht miteinbezogen worden bzw. war diese damals noch nicht so erkennbar. Außerdem hat sich die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung in den letzten 100 Jahren sehr stark gewandelt. 1910 wurde niemand 100 Jahre alt, kaum jemand wurde 85 und nur sehr wenige erreichten das damalige Rentenalter von 65 Jahren. Außerdem gab es viele Kinderkrankheiten, weswegen viele Menschen schon sehr früh gestorben sind. Heutzutage und auch zukünftig ist die Wahrscheinlichkeit, alt zu werden, sehr hoch. Herr Dr. Wasmund berichtete von einer Studie, die er kurz zuvor gelesen hatte. Diese besagt, dass für Mädchen, die jetzt geboren werden, eine Wahrscheinlichkeit von 25% bestünde, 100 Jahre alt zu werden. Die „Bevölkerungspyramide“ von heute ist deutlich bauchiger. 2005 lebten mehr Menschen im Alter von 30 bis 55 in Deutschland, da die Kinder von Zuwanderern aus dem zweiten Weltkrieg zusätzlich zu den sowieso geborenen Kindern nun erwachsen waren. Die Verteilung hat sich außerdem in gewisser Weise umgedreht, denn früher war die Geburtenrate sehr hoch und nur sehr wenige Menschen wurden alt. Heutzutage ist die Geburtenrate deutlich geringer, da in den 60er Jahren die Antibabypille erfunden wurde, dafür gibt es eine viel höhere Lebenserwartung.

Anschließend folgte die konjunkturelle Situation in Deutschland. NRW ist das wirtschaftsstärkste Bundesland. Der Anteil NRWs am insgesamt 2.904 Milliarden Euro hohen Bruttoinlandsprodukt beträgt 624,7 Milliarden Euro, also ca. 20%. Bezogen auf das BIP je Einwohner befand sich NRW 2013 allerdings nur auf dem sechsten Platz, auf den ersten beiden Plätzen befanden sich Hamburg und Bremen, da diese als Stadtstaaten eine geballte Wirtschaftskraft haben. Im Vergleich zu Deutschland betrug der Bundesdurchschnitt je Einwohner in Deutschland 33.355 Euro und in NRW 33.621 Euro, also noch über den Werten Deutschlands allgemein. Einen sehr bedeutenden Aspekt in der Entwicklung NRWs bildet die strukturelle Veränderung. Zu Beginn zeigen die drei bzw. vier Wirtschaftssektoren (1. Land- und Forstwirtschaft; 2. Industrie; 3. Dienstleistungen; 4.Information und Kommunikation) die starke Wandlungen. 1970 betrug der Anteil der Dienstleistungen an der Bruttowertschöpfung in NRW 45,9%, das produzierende Gewerbe (Industrie) nahm 53,1% ein und der Anteil der Land- und Forstwirtschaft beschränkte sich auf 1%. Im Jahr 2014 haben sich diese Werte praktisch umgekehrt. Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft ist auf 0,4% gesunken und auch die Industrie hat einen deutlich kleineren Anteil als 44 Jahre zuvor, dieser betrug 2014 nur noch 28,4%. Dafür machen die Dienstleistungen einen sehr großen Teil der Wirtschaft aus, der Anteil ist von 45,9% auf 71,2% gestiegen. Da der Sektor der Dienstleistungen auch tertiärer (dritter) Sektor genannt wird, spricht man also von einer „Tertiärisierung“, welche unter anderem aus der fortschreitenden Bildungsexpansion und der angestrebten hohen Effizienz hervorgeht. Diese Entwicklung lässt sich an einigen Beispielen seit dem zweiten Weltkrieg gut veranschaulichen. Nach dem Kriegsende 1945 war Nordrhein-Westfalen das industrielle Herz (Kohle, Stahle etc.) der Bundesrepublik, im Vergleich war Bayern zu dieser Zeit ein Agrarstaat. In den 50er Jahren war ein wichtiger Sektor in NRW die Textilindustrie, wovon jetzt nichts mehr übrig ist. Krefeld war beispielsweise damals auch unter dem Namen „Seidenweberstadt“ bekannt. Auch Wuppertal machte einen großen Anteil an der Textilindustrie aus, es wurde zum Beispiel „Manchester von Deutschland“ genannt und als „interessanteste deutsche Textilstadt“ (Eberhard Frowein, Schriftsteller, 1942) bezeichnet.  

Die Entwicklung der Wirtschaftssektoren in NRW und Deutschland hat viele Gemeinsamkeiten, sie zeigt aber auch einige Unterschiede auf. Ausgehend von dem Jahr 2000 verlief die Wandlung in NRW und der gesamten Bundesrepublik im Dienstleistungsbereich parallel, starke Abweichungen traten allerdings im industriellen Sektor auf. Von 2000 bis 2015 ist die preisbereinigte Bruttowertschöpfung in Deutschland um 25,5% gestiegen, in NRW jedoch um 1,8% gesunken. Dies hat viele Gründe. Zum einen klammern sich die Unternehmen laut Dr. Wasmund zu stark an die Vergangenheit. Obwohl früher viele Rohstoffe aus NRW kamen, wird beispielsweise die Kohle jetzt zum großen Teil importiert (z.B. Südafrika). Zum anderen fehlt dem Bundesland die Dynamik in Bezug auf die verschiedenen Bereiche der Industrie. In der Automobilindustrie liegt NRW deutlich hinter dem Bund, dafür liegt der Anteil NRWs am Industrieumsatz bei der Herstellung von chemischen Erzeugnissen weit über dem Bund. Jedoch macht die Automobil-industrie heutzutage einen signifikanten Teil der globalen Industrie aus und genau in diesem wichtigen Bereich ist Nordrhein-Westfalen nur schwach vertreten. Ein weiteres Spiegelbild der industriellen Schwäche sind die Exporte. Seit dem Jahr 2000 ist die Wachstumsrate der Exporte in Deutschland um fast 100% gestiegen, in NRW jedoch nur um 62%. Bis zum Jahr 2007 verlief die Entwicklung weitgehend parallel, allerdings ließ NRW seit 2008 nach. Von dem anschließenden Tief im Jahr 2009 aufgrund der Weltwirtschafts- und Finanzkrise konnte das Bundesland sich nicht so schnell erholen wie Deutschland insgesamt. Im Gegensatz zu den anderen Bereichen, die im Jahr 2000 die gleichen Werte hatten, lag die Investitionsquote in NRW bereits damals unter der von Deutschland und hat es auch nie geschafft, die jährlichen 4 Prozentpunkte Unterschied aufzuholen. Laut Dr. Wasmund haben die Unternehmen zwar ein hohes Niveau, sind aber zu zurückhaltend und sollten mehr investieren, um den Rückstand aufzuholen.

Vortrag von Dr. Wasmund im Wirtschaftsministerium (MWEIMH)

Der letzte Aspekt der strukturellen Entwicklung in NRW (bzw. Deutschland) ist der Anteil der einzelnen Bundesländer an den Aufwendungen für Forschungen und Entwicklungen am Bruttoinlandsprodukt. Auf dem ersten Platz befindet sich Baden-Württemberg mit einer Quote von fast 4% und liegt somit weit vor Nordrhein-Westfalen, welches mit einer Quote von ca. 2% auf dem 12. Platz – im Ländervergleich – liegt. Zum Vergleich hat Deutschland insgesamt eine Quote von ca. 2,9%, obwohl die staatlichen Ausgaben von NRW und Deutschland nah beieinander liegen.

Der Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen bildete den abschließenden Punkt des Vortrages und auch hier gab es starke Wandlungsprozesse. Im Jahr 1970 arbeiteten 3.780 Tsd. Menschen in NRW im Produktionssektor und 2.909 Tsd. im Dienstleistungssektor, sprich die Anzahl der Erwerbstätigen im Produktionssektor war höher. 2014 lagen diese Zahlen deutlich weiter auseinander: In diesem Jahr arbeiteten 6.911 Tsd. Menschen im Dienstleistungssektor und „nur“ 2.093 Tsd. im Produktionssektor, also gab es eine Differenz von 4.818 Tsd. Auch die Arbeitslosenquote hat sich bedeutsam verändert. Im Jahr 2000, erneut der Ausgangspunkt 2000, gab es in NRW 775 Tsd. Arbeitslose, davon 336 Tsd. Frauen und 439 Tsd. Männer. Diese Quote stieg bis zum Jahr 2005 an und erreichte dort auch ihren Höhepunkt bei 1.044 Tsd. (463 Tsd. Frauen und 581 Tsd. Männer). Von da an sank die Arbeitslosenquote mit einigen wenigen Abweichungen, bis sie im Jahr 2015 um 300 Tsd. gesunken war und einen Wert von 744 Tsd. (340 Tsd. Frauen und 404 Tsd. Männer) und somit sogar weniger als im Jahr 2000 erreichte. Aus diesem Grund stieg auch die Anzahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von 2007 bis 2016 von knapp über 600 Tsd. auf ca. 6.000 Tsd. an.  

Zuletzt lässt sich die relative Veränderung des regionalen Bruttoinlandsproduktes pro Einwohner von 2004 bis 2014 sehr gut in den verschiedenen Teilen NRWs darstellen. Die geringste Veränderung fand in der Region am Niederrhein statt, hier beträgt diese „nur“ ca. 23%. Im bergischen Städtedreieck (Wuppertal, Remscheid, Solingen) beträgt sie ca. 26%. Die höchste Veränderung gab es in Südwestfalen, hier beträgt sie ca. 36%. Im Vergleich dazu hat die relative Veränderung in NRW allgemein einen Wert von ca. 30%.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland liegt global an der Spitze und uns geht es vergleichsweise gut, allerdings wird es schwierig werden, sich auch künftig an der Spitze zu halten. Aufgrund der Auslagerung verschiedenster Produktionen ist der größte Vorteil Deutschlands die Bildung der Bevölkerung. Hierzulande wird die Theorie ausgearbeitet, bevor diese im Ausland in die Praxis umgesetzt wird. Aus diesem Grund muss auch zukünftig das Know-how der Bevölkerung weiter ausgebildet werden, weswegen die Bildungsexpansion heutzutage eine sehr große Rolle spielt. Auch nach Dr. Peter Wasmund sollen Chancen genutzt werden, um Deutschland an der Spitze zu halten (Beispiel Bildungsexpansion). Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Aspekten und den Zahlen schnitt Dr. Wasmund auch das Thema Frieden an. Unsere Ur-/Großeltern konnten keine 60 Jahre am Stück in Frieden leben und es müsse weiterhin daran gearbeitet werden, diese Zeiten nicht zu wiederholen. Denn auch das Thema Frieden macht einen sehr großen Teil der Globalisierung aus: Leben die einzelnen Länder nicht in Frieden miteinander, können bzw. wollen sie natürlich auch nicht miteinander kooperieren. Auch sei der Begriff des Kapitalismus nicht mehr wegzudenken. Obwohl dieser in den Köpfen der Menschen als etwas Negatives verankert ist, kann er heute benutzt werden, um den aktuellen Wirtschaftsmarkt zu beschreiben. „Eine weltweite soziale Marktwirtschaft ist nötig!“, so Dr. Wasmund abschließend.

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Wasmund vom Wirtschaftsministerium und unseren Begleitern, Frau Meyer und Herrn Franke, für diese informative Exkursion.

 

Geschrieben von Lisa-Marie Köster (Q2)

 

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